,,Irren ist menschlich (…)“, rief es der Theologe Hieronymus vor Anbeginn der Zeit in die Welt.
Was Hieronymus allerdings nicht für nötig zu sagen hielt, war, dass Irren aber auch unendlich nervig und anstrengend ist und in der Praxis meist als unangenehmer Störfaktor dargestellt wird (Weil: natürlich ist das Arbeiten flüssiger, wenn alle wissen, was sie zu tun haben). Absolut hervorragend ist es dann, wenn dir im ersten Einsatz das Irren direkt zum Vorwurf gemacht wird, wo man sich doch erstmal im „Ökosystem OP“ zurechtfinden muss und mit ganz anderen Sachen beschäftigt ist, als alles direkt *perfekt* hinzubekommen.
Ich für meinen Teil hatte erstmal genug damit zu tun, mich von meinem Drang zum Perfektionismus zu lösen, mich in einer neuen Stadt zurechtzufinden und einen vollkommen neuen und fremden Alltag zu managen. Und da mein BFF, der Perfektionismus, immer händchenhaltend mit meiner Angst vor publiken Fehlern durch die Gegend hopste, hatte ich mit ihnen direkt zwei treue Wegbegleiter, die es mir unglaublich schwer machten, meinen ersten Praxiseinsatz richtig zu genießen.
Mein Anspruch an mich: Fehlerfreies Arbeiten, einen guten Eindruck hinterlassen, blah blah blah.
Im Endeffekt habe ich so viele Fehler gemacht, bis ich A) aufgehört habe zu zählen, und B) eingesehen habe dass es unmöglich ist, keine zu machen. Und, noch viel wichtiger: Es sind nicht nur die Fehler, die dich und deine Arbeit als Auszubildene*r definieren, sondern viel eher, wie du auf sie reagierst.
Hier schließt sich der zweite, meist unterschlagene Teil von Hieronymus’ Zitat an: ,,(…) sed in errare perseverare diabolicum.”
Jenes bedeutet etwa so viel wie, “(…) aber im Irren zu verharren ist teuflisch.”. Aus seinen Fehlern zu lernen ist unerlässlich, wenn man sich in seinen Skills verbessern will, aber erst die Bereitschaft dazu, Fehler zu machen und sie zuzulassen, setzt den daraus resultierenden Lerneffekt voraus.
So weit, so gut, aber wie gehe ich denn jetzt mit Fehlern um?
Machen wir dazu eine kleine Zeitreise in meinen allerersten Praxiseinsatz. Während jeder aus meinem Kurs super excited und erwartungsvoll bezüglich des ersten Einsatzes war, löste der Gedanke an den ersten Einsatz bei mir vor allem eins aus: Den fight or flight Reflex. Anstatt mich auf die anstehenden Herausforderungen, die Interaktion mit den Patienten und der Arbeit im Team zu freuen, schossen mir täglich tausend Fragen, gepaart mit einem fetten ERROR 404 durch den Kopf.
Ich weiß XY nicht, also muss ich dumm sein. Ich kann XY nicht, also bin ich inkompetent. Ich traue mich nicht, XY zu tun, also bin ich feige.
Diese, und noch mehr Aussagen, liefen den ganzen Tag fröhlich in Dauerschleife durch meinen Kopf und hinderten mich daran, die Chancen und Möglichkeiten der Praxis und eben auch das Potenzial meiner Fehler, zu sehen. Ich habe lange geglaubt, dass ich keine Fehler machen darf, oder dass es mir nicht erlaubt ist Fehler zu machen oder auch mal falsch zu liegen.
Nach viel zu langer Zeit machte es dann KLICK. Ich war nicht nur dumm oder inkompetent oder feige, weil ich mich etwas nicht getraut habe. Ich war einfach eine verdammte Anfängerin und allem voraus eine verdammte Auszubildende.
Leider wird das von einigen Leuten aus der Praxis oft vergessen: ,,Bereite mal was für ‘ne Arterie§ vor!”
Hm, doof wenn man dann erstmal sagen muss, dass man das eigentlich noch gar nicht kann… Wie geht man damit jetzt am Besten um?
Ich kann bei den folgenden Tipps nur von meiner persönlichen Erfahrung sprechen, die Garantie, dass das bei jedem funktioniert, kann ich nicht geben.
Schritt I
Gesteh dir deinen Fehler oder/und deine eigene Inkompetenz in dem Moment erstmal selbst ein. ,,F***”, geht dir durch den Kopf, ,,das war jetzt nicht so geil…”
Die Alternative: Den Fehler übersehen und in seiner Inkompetenz „verharren“ mit dem Resultat, dass man sich seine Lernmöglichkeit verbaut.
Schritt II
Trau dich deine Fehler offen zuzugeben der auch einfach nur zu sagen, wenn du dir bei etwas unsicher bist. Du kommst dafür weder in Teufels Küche noch in die Corner of Shame.
Sätze wie:
• ,, Können wir das nochmal zusammen machen?”
• ,,Ich krieg‘s gerade echt nicht auf die Kette, kannst du mir nochmal zeigen wie man XY vorbereitet?”
• ,,Ach, verdammt, Anfängerfehler.”
• ,,Würdest du nochmal drüberschauen, wenn ich damit fertig bin?”
…wirken manchmal Wunder.
Aber auch ein ,,Sorry”, ist manchmal angebracht. Der Fehler wird im Besten Fall gemeinsam mit dem Mentor ausgebügelt und du bekommst vielleicht noch ein, zwei Tipps mit auf den Weg.
Dann geht der Tag und das Leben weiter. Ohne, dass darauf noch weiter herumgeritten wird.
Schritt III
Woran hat’s also gelegen?
Als ich am Anfang der Ausbildung stand hat mir einer meiner Mentoren den wunderbar vagen Ratschlag gegeben, dass ich mich von Unwissenheit freimachen solle.
Für mich bedeutete das Folgendes: Fachwissen aneignen, den Anästhesie-Newsletter lesen, mich informieren. Selbstreflexion. Nachfragen, wenn mir was unklar ist oder mir etwas komisch erscheint. Habe ich also Fehler XY gemacht, weil ich mich vorher nicht informiert habe, das Fachwissen (noch) nicht besaß oder einfach aus mangelnder Erfahrung heraus?
Und was kann ich machen, um den Fehler das nächste Mal zu vermeiden?
Mir hilft es, meine theoretischen Wissenslücken zu füllen, das Thema nach der Arbeit nochmal zu wiederholen oder auf der Arbeit ein bisschen Recherche zu betreiben.
Geht es um praktische Fehler, kann es helfen deinen Mentor später nochmal darauf anzusprechen und nach Feedback zu fragen.
Aus Erfahrung kann ich außerdem sagen, dass sich die negativ konnotierten Erlebnisse und Situationen tendenziell eher ins Gehirn einbrennen als die positiven.
Beispielsweise weiß ich jetzt, wie ich mit einer Infusionsleitung umgehen muss, in der irgendetwas ausflockt oder wie ich einen unerwartet schwierigeren Atemweg besser managen kann, nur weil ich diesen Dingen beigewohnt habe und ad hoc mit ihnen umgehen musste (alles mit dem Support meines Mentors/ meiner Mentorin selbstverständlich).
Schritt IV
Mach dir bewusst, dass du nicht allein bist. Als ich vollkommen fertig aus dem ersten Praxisblock wieder in die Theorie kam, war ich der festen Überzeugung, dass ich die Einzige war, die Fehler XY gemacht hat und dafür verurteilt gehöre. Es war sehr erleichternd zu hören, dass auch meine Mitschüler*innen diese Fehler gemacht haben man konnte sich austauschen, sogar darüber lachen.
Um wieder auf den Anfang zurückzukommen und das Ganze mit einem Abschlussstatement zu versehen:
Fehler zu machen ist vollkommen in Ordnung, niemand ist fehlerfrei, besonders am Anfang der jeweiligen Karriere. Stress dich nicht zu sehr damit fehlerfrei arbeiten zu wollen und versuche das Meiste aus deinen Fehlern und Misserfolgen zu ziehen, denn jeder neue Fehler bietet eben auch eine neue Lernmöglichkeit!
Und eins noch: Mach dir bewusst, dass du nicht die Summe deiner Fehler bist, sondern viel mehr ein Konglomerat aus allen guten und blöd gelaufenen Situationen, an denen du schlussendlich nur eins kannst: Wachsen.
Mit diesem Statement im Hinterkopf kann dich nun nichts mehr aufhalten ????.
Bis dahin,
Charlotte
Credits Foto: Bratt Jordon, pexels
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